Hans Benzler

Ein schwieriges Leben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Ernst Wilhelm Hans Benzler wurde am 21. September 1892 in  Laubnitz Kreis Sorau Niederlausitz geboren als ältestes Kind des Gutsbesitzers Hermann Benzler (1849 - 1921) und dessen Ehefrau Anna, geb. Lehmann (1868 - 1949). Er wurde getauft am 6. November 1892. Die Laubnitzer Volksschule besuchte er von 1898 bis 1902 und danach das Sorauer Gymnasium bis zur Sekunda (Einjährig-Freiwilligen Reife). Danach leistete er seinen einjährigen Wehrdienst ab. In den folgenden Jahren erhielt er eine praktische Ausbildung als landwirtschaftlicher Voluntär auf dem benachbarten Gut der Familie Jänicke-Rößler in Friedersdorf und auf weiter entfernten Betrieben. Von 1914 an nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und wurde Ende 1918 als Leutnant entlassen.

Danach kehrte er wieder nach Laubnitz zurück und wirkte vorübergehend als Amtsvorsteher der Gemeinde. Am 29. November 1923 heiratete er in Petersdorf im Riesengebirge Elsbeth Lehmann, geb. am 2. Juli 1895 in Lissa in der Provinz Posen als Tochter von Max Lehmann (1865 – 1937) und dessen Ehefrau Marta, geb. Burgwitz (1875 – 1926). Aus der Ehe entstammten zwei Kinder: Hermann Ernst Axel (geb. am 25. Nov. 1924 in Laubnitz, vermisst als Soldat im November 1943 im Raum der Halbinsel Kertsch am Schwarzen Meer) und Anna Elisabeth Hiltrud (geb. am 13. Mai 1926 in Sorau/NL). Später bewirtschaftete Hans Benzler vorübergehend einen Gutsbetrieb in Seitendorf /Niederschlesien. 

A Dann zog Hans Benzler  zurück nach Laubnitz, wo er im Hause seiner verwitweten Mutter lebte und unter schwierigen Umständen als Vertreter seinen und seiner Kinder Lebensunterhalt verdiente. Seine Frau führte von April 1933 bis Juli 1936 den Haushalt von Pfarrer Wolf in Wittbrietzen, einem kleinen Dorf südlich von Potsdam bei  Beelitz. Dann zog sie mit den beiden Kindern nach Sorau, wo sie bis zum Februar 1945 wohnte. Im Zuge der Aufrüstung nach 1935  wurde Hans Benzler von der Luftwaffe als Leutnant übernommen und dort bis zum Hauptmann befördert. Zunächst arbeitete er beim Reichssippenhauptamt in Iserlohn/W. und war später, auch in den Kriegsjahren, im Reichsluftfahrtministerium in Berlin tätig. 

Als nach dem Vormarsch im Osten 1941 die Ukraine und Weißrussland landwirtschaftlich genutzt werden sollten, musste die Wehrmacht die als Soldaten eingezogenen Landwirte freistellen. Sie sollten die Kolchosen zur Produktion für Deutschland in Gang bringen. Dazu gehörten auch Hans Benzler und der Direktor der Landwirtschaftsschule in Sorau, Herr Jende. Beide kannten sich und haben sich in der Ukraine als Gutachter getroffen. Durch den Rückzug der deutschen Front nach der Panzerschlacht bei Kursk im Sommer 1943 endete diese Tätigkeit in der Ukraine, und Hans Benzler kehrte wieder zur Luftwaffe nach Berlin zurück. Zu seinen dortigen Aufgaben gehörte die Leitung von Aufräumungsarbeiten nach den Bombenangriffen.

Hans Benzler gehörte zu jener Minderheit von Menschen, die im Unterschied zu den meisten ihrer Zeit- und Volksgenossen nach dem Ende der deutschen Erfolge wenig Zweifel hatten, dass der Krieg verloren war. Der Verlust seines Sohnes, seine Erfahrungen in der Ukraine und in der zerbombten Reichshauptstadt verstärkten seine Skepsis gegenüber deutschen Führung. Aus dieser distanzierten Haltung zum Regime machte er im privaten Kreis auch nie einen Hehl. Nahe Verwandte erinnerten sich daran, wie er Ende 1943 auf einem Familientreffen offen über seine Erlebnisse in der Ukraine berichtete.

Kluges Abwägen der Worte und ein gesundes Misstrauen gegenüber jedermann gehörten nicht zu den ausgeprägten Eigenschaften von Hans Benzler. Bei einem Aufenthalt im Wartesaal einer Bahnstation anlässlich eines Heimaturlaubs kam er mit einem Mitreisenden ins Gespräch, dem er seine Einstellung nicht verbarg. Letzterer gehörte zur weitverbreiteten Zunft der Denunzianten. So kam es, wie es kommen musste: Hans Benzler wurde im Frühjahr 1944 wegen Wehrkraftzersetzung in Berlin verhaftet, als Staatsfeind angeklagt und am 25. Mai dieses Jahres von einem Feldkriegsgericht der Luftwaffe zum Tode verurteilt. In einer Art Sippenhaft wurde seine ebenfalls bei der Wehrmacht dienenden nahen Verwandten fortan von weiterer Beförderung ausgeschlossen.

Der vormalige Laubnitzer Ortspfarrer Heinrich Hüffmeier, der im Kriege in Berlin-Wilmersdorf als Pfarrer an der Lindenkirche wirkte, 1934 die Schrift „Evangelische Antwort auf Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts“ verfasst hatte und 1948 Superintentent seines Stadtbezirks wurde, kümmerte sich in der Haftanstalt Moabit um den Verurteilten und stellte die Verbindung zu dessen Angehörigen her. Hüffmeier berichtete, das besonders folgende Äußerung Hans Benzler zum Verhängnis wurde: Man dürfe sich nicht über die immer schlechter werdende Lage wundern, denn von der Führung eines blödsinnig gewordenen Gefreiten könne man nichts anderes erwarten.

Beinahe noch hätte das Schlimmste abgewendet werden können, denn der Reichsmarschall Hermann Göring als oberster Chef der Luftwaffe hielt seine schützende Hand über seinen Untergebenen, soweit es möglich war. Auch fanden sich weitere Fürsprecher, wie der Bruder von Pfarrer Hüffmeier, Konteradmiral Friedrich Hüffmeier (a, b), vormals Kommandant des Schlachtschiffs „Scharnhorst“, der beim Oberkommando der Marine in Bernau bei Berlin tätig war und 1945 als Vizeadmiral Kommandant der Kanalinseln wurde.

Doch das Schicksal wollte es anders. Es kam der 20. Juli 1944 mit dem Attentat auf Adolf Hitler, und alle Bemühungen zur Rettung von Hans Benzler waren damit vergeblich. Am 11. November 1944 wurde Hans Benzler in Berlin-Jungfernheide erschossen. Pastor Hüffmeier erreichte unter strengsten Auflagen, dass die Asche von Hans Benzler  freigegeben wurde. Hüffmeier fuhr mit der Reichsbahn nach Laubnitz, im Handgepäck die Urne mit der Asche.

Niemand außer den engsten Familienangehörigen durfte von Hans Benzlers Schicksal erfahren, geschweige denn an seiner Beisetzung teilnehmen. Nicht einmal der langjährigen Bediensteten seiner Mutter wurde gestattet, ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten. Heimlich gruben seine Schwester und seine Schwägerin auf der Benzlerschen Familiengrabstätte des Laubnitzer Friedhofs an der Mauer zum Pfarrgarten ein Loch, das die Urne mit den sterblichen Überresten aufnehmen sollte. Die kleine Gruppe, bestehend aus Pastor Hüffmeier und Hans Benzlers Frau, Mutter, Schwester und Schwägerin, begab sich am 24. November 1944 in der Dunkelheit des Abends in aller Stille zum Friedhof, um die Urne mit der Asche von Hans Benzler in die Heimaterde zu versenken. Kein anderer Dorfbewohner erfuhr von seinem Ende.

Requiescat in pace